Wohnen in Bäumen
„Hinter eines Baumes Rinde / wohnt die Made mit dem Kinde“ dichtete Heinz Erhardt. Als die Made ausgeht, findet ihr Kind sein Ende im Magen eines Spechtes. Mit Made und Specht bringt uns Heinz Erhardt schon zwei Baumbewohner näher, zwei von Tausenden. Die Website animalia.bio listet 3295 Spezies auf, die den Baum als Wohnort gewählt haben. Der Mensch ist nicht darunter. Aber gerade er interessiert uns hier.
Wenn Erich Kästner in seinem Gedicht „Die Entwicklung der Menschheit“ reimt: „Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt / behaart und mit böser Visage“ dann kann sich das nicht auf den Menschen beziehen, sondern auf Hominiden, unsere als Menschenaffen bezeichneten Vorfahren. Der Australopithecus, der vor etwa 4 bis 2 Millionen Jahren lebte, hatte bereits die Fähigkeit zum aufrechten Gang, hielt sich aber dennoch häufig auf Bäumen auf, auch zum Schlafen. Auf den Homo sapiens trifft dies aber nicht mehr zu.
Dennoch hat es immer wieder Vertreter des modernen Menschen gegeben, die auf diese frühe Wohnform ausgewichen sind. Italo Calvino erzählt von Cosimo di Rondò, der in der zweiten Hälfte des
Bundesweit bekannt geworden ist eine Umweltschutzbewegung, die um den Erhalt des Hambacher Forstes kämpfte. Dieser in Nordrhein-Westfalen gelegene Wald wurde seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts nach und nach gerodet, um dort im Tagebau Braunkohle abzubauen. Um weitere Rodungen zu verhindern, agierten Gegner der Kohlekraft-Nutzung auf verschiedenen Ebenen: juristisch mit Klagen, politisch mit Informationsveranstaltungen, Stellungnahmen und Demonstrationen sowie als direkte Aktion vor Ort mit Sitzblockaden, Besetzungen und dem Errichten von Baumhäusern.
Baumhäuser haben den Zweck, Rodungen zu verhindern, zumindest aber sie zu verzögern. Man spricht daher bei diesen Bauwerken auch von Verzögerungsarchitektur. Im Hambacher Forst entstanden ab 2012 mehr als 50 dieser mit Seilen befestigten Bauten, zum Teil untereinander verbunden durch Seilwege und Hängebrücken in zum Teil mehr als 20 m Höhe. Mit der Argumentation, dass die Baumhäuser bauliche Anlagen seien, die gegen brandschutzrechtliche Vorschriften verstießen, ließ die NRW-Regierung 2018 die Baumhaussiedlung von der Polizei räumen.
Ähnliche Bauten entstanden auch in vielen anderen Protestcamps, z. B. in Lützerath am Tagebau Garzweiler II, im Dannenröder Forst östlich von Marburg oder im Fechenheimer Wald in Frankfurt am Main; die beiden letztgenannten richteten sich gegen Straßenbauprojekte. Immer sind vor Ort vorgefundene Materialien für den Bau verwendet worden, und es sind phantasievolle, zum Teil mehrstöckige Gebäude entstanden, in den gewohnt, geschlafen, gegessen und Versammlungen abgehalten wurden.
Unabhängig von Umweltschutzanliegen werden auch heute noch von einigen indigenen Völkern in Afrika, Asien und Südamerika Baumhäuser errichtet, um Widrigkeiten am Boden zu entgehen.
Und wie so oft fand auch auf diesem Gebiet eine Kommerzialisierung statt. Inzwischen gibt es etliche Hotels, die Übernachtungen in Baumhäusern anbieten.
Letztlich bieten Baumhäuser auch Rückzugsmöglichkeiten für Kinder, die ihren Erziehungsberechtigten aus dem Weg gehen möchten. Am bekanntesten ist wohl das Baumhaus von Tick, Trick und Track, in das sie sich auf der Flucht vor ihrem cholerischen Onkel Donald Duck zurückziehen.