Palus potentiae bei Bommersheim
Der Strommast, ein Neophyt wie z. B. Lawsons Scheinzypresse, hat in weiten Teilen unserer Feldflur andere autochthone Bäume verdrängt. Anspruchslosigkeit, fehlende natürliche Feinde, eine robuste Gesundheit und ein ausgeklügeltes, wurzelloses Versorgungssystem über Drähte verschaffen ihm große Vorteile gegenüber den einheimischen Gehölzen. Wegen des fehlenden sekundären Dickenwachstums ist er nur im weiteren Sinn ein Baum (siehe Was ist eigentlich ein Baum?)
Der Strommast
Wenn ein Elektriker verreist,
wird’s in seiner Werkstatt düster,
in des Meisters Arbeitsraum
brennt nun weder Lamp‘ noch Lüster.
Fort sind Volt und Watt und Ohm –
der Chef ist auf dem Weg nach Rom.
Doch seine Gedanken kreisen immer
um Stecker, Dose, Netz und Dimmer.
Auf einer Reise nach Italien
denkt man an Pizza, Pasta, Wein,
doch dem kleinen Elek-Tricker
fällt nur ein neuer Schaltkreis ein.
Bei der Fahrt durch das Tunell
entwirft er zügig ein Modell,
wie man hier das Licht verbessert
und dabei den Strom entwässert.
Hinter Mailand sieht man ihn
am Straßenrand die Kabel ziehn.
Endlich macht er dann in Rom Rast,
‘türlich unter einem Strommast.
In der Kirche von Sankt Peter
zückt er gleich das Amperemeter:
Ist der Strom auch nicht zu klein
für Don Camillos Heil‘genschein?
Abends dann in der Kaschemme
spielt er mit einer Lüsterklemme,
sieht nicht am Nebentisch die Biene,
denn er plant grad ‘ne Turbine.
Als er zuhause angekommen
war man allseits interessiert,
wie er die Stadt denn wahrgenommen?
„Ich war ganz elektrisiert.“
Flurbaum-Steckbrief
Bezeichnung
Strommast - Palus potentiae
Beschreibung
- Einzelbaum
- einstämmig
- Stammumfang: 251 cm in 130 cm Höhe (BHU)
- Baumhöhe: ca. 29 m
- Kronenbreite: ca. 14 m
- lichte Höhe: ca. 17 m
- Kronenform: breit kegelförmig
- Alter: rund 25 Jahre, demnach steht der Baum seit etwa 1995 an dieser Stelle
- der Mast ist Teil der 20-kV-Leitung Friedrichsdorf 1, er trägt die Bezeichnung 3037 / M 6
Lebensraum
- Acker
- am Rand des Schlags
- an einem Feldweg
- ebenes Gelände
- Höhenlage: 156 m
- Begleitvegetation: der Baum ist Teil einer Baumreihe
- Naturraum: Nordöstliches Main-Taunusvorland
Standort
- bei Bommersheim (nördlich Kalbach)
- Flurlage Niederfeld
- Gemarkung Bommersheim
- Stadt Oberursel (Taunus)
- Hochtaunuskreis, Hessen
- Koordinaten: 50.1959, 8.6318
Risiken, Schäden
- eine regelmäßig bearbeitete Fläche reicht bis nahe an den Stamm
Besonderheit
- auffallender Wuchs
- besonders landschaftsprägender Baum
Stand: Februar 2021
Zwischen zwei Strommasten befindet sich oft das Biotop des Tastenfinks (Fringilla vexator). Diese bislang wenig bekannte Vogelart ist erst in letzter Zeit verstärkt bei Menschen, die von zuhause aus arbeiten, aufgetreten. Der Tastenfink macht auf sich aufmerksam, indem er über die Tastaturen der Laptops schreitet, auf den Buchstabentasten herumhackt, Handyklingeln imitiert und Schokolade stibitzt. Im zivilen Leben ist er aber ein bescheidener Bursche, der sich gerne in seinem Haus aufhält und nicht mal mitbekommt, was sich dort so alles abspielt.
Vor Tastenfinks Haus
Vor dem Haus des Tastenfinks
stehen seit je zwei Masten. Links
der eine, der andere rechts.
Neulich hörte man dort Gekrächz:
„Ich sei, gewährt mir die Bitte,
in eurer Runde der Dritte!“
Die Masten waren edel und ohne Wankelmut,
aber tausend Jahre alt und hörten nicht mehr gut.
Der Anmeldeantrag wurde nicht vernommen,
der Krächzer schlich fort, im Herzen beklommen.
So wurde auch dem Tastenfink nicht gewahr,
wer der seltsame Bittsteller war.
Und einsam stehen die Masten, links
und rechts vorm Haus des Tastenfinks.